Samstag, 19. März 2016

Weil wir längst woanders sind - Rasha Khayat

Die Autorin Rasha Khayat ist in Dortmund geboren, hat aber einen Großteil ihrer Kindheit in Saudi-Arabien verbracht. Mit elf Jahren ist sie mit ihrer Familie wieder nach Deutschland gekommen. Was macht das mit einem Menschen, wenn man in zwei so unterschiedlichen Ländern aufwächst? Saudi-Arabien – Deutschland. Wo ist die Heimat, wo ist man fremd? Und warum stellen sich diese Fragen überhaupt? Rasha Khayat sucht in ihrem Debütroman „Weil wir längst woanders sind“ nach Antworten. 


Ihre beiden Hauptfiguren Layla und Basil sind Geschwister. Sie sind ein gutes Team – unzertrennlich – und genau wie die Autorin haben sie viele Jahre in Saudi-Arabien gelebt und sind dann nach Deutschland gezogen. Erst haben sie im Ruhrgebiet gelebt und später dann in Hamburg in einer WG. Alles cool, denkt zumindest Basil – nur dann geht seine Schwester auf Reisen, kehrt zurück in die alte Heimat und entschließt sich dort zu heiraten.

Basil hat dafür null Verständnis, denn Layla ist nicht religiös und er hat in ihr immer eine freiheitsliebende Frau gesehen, die sich jetzt für ein Land entscheidet, in dem sie sich verschleiern muss und noch nicht mal Autofahren darf. Schon als ich davon auf dem Klappentext gelesen habe, war ich direkt neugierig. Wie kann man sich bitte freiwillig für so ein Leben entscheiden? Im Laufe der Geschichte habe ich aber immer mehr Verständnis für Layla entwickelt, was ich vorher nie gedacht hätte. Aber die Autorin schafft es zu erklären, was es wirklich bedeutet, mit zwei Kulturen aufzuwachsen. Für Außenstehende klingt das oft einfach nur spannend, aber für die Betroffenen kann das auch schwierig sein, weil die Kulturen sich vielleicht nicht komplett miteinander vereinbaren lassen, weil es die anderen Menschen überfordert:

„Ich hab die Stadt einfach gehasst«, sagt Layla irgendwann. »Das Graue, die Stille. Das Drückende. Und dass sie uns immer erzählt haben, das sei alles ganz toll so, dass wir das Beste aus beiden Welten bekommen, dass wir nur Vorteile hätten, weil wir zwei so verschiedene Kulturen kennen. Aber dass die meisten anderen, die man trifft, immer wollen, dass man sich für eine Seite entscheidet, dass sie immer nur suchen, was ihnen bekannt vorkommt, das haben sie uns nie gesagt. Dass dieser Graben nie endet, sich nie schließen wird und dass man nie irgendwo richtig hingehört. So was sagt dir niemand.“

Es geht in diesem Roman also ums Fremdsein, um die Suche nach Zugehörigkeit und auch darum, wie die Suche nach der eigenen Identität mit der Frage nach der Heimat zusammenhängt. Layla führen genau diese Fragen zurück nach Saudi-Arabien – und dann schließlich auch Basil, der zur Hochzeit seiner Schwester reist, und als Leser tauchst du mit in dieses Land ein, das die Autorin so ganz anders zeigt als erwartet.

Sie beschreibt Saudi-Arabien als unfassbar herzlich. Die Familie von Basil und Layla erscheint wie der Inbegriff der Gastfreundschaft. Sie freuen sich so sehr, dass sie die beiden wiedersehen und nehmen sie in ihrer Mitte auf, so als wären sie nie weggewesen. Die Zusammengehörigkeit scheint enorm zu sein und trotzdem ist sie Basil fremd und er will, anders als Layla, zurück nach Deutschland. Aber darum geht’s hier eben auch – Menschen sind unterschiedlich, haben unterschiedliche Bedürfnisse und dieser Roman fordert dafür Respekt ein!

Hier steckt wirklich viel drin für einen Debütroman. Mich hat das alles sehr beeindruckt – auch die Art wie die Autorin erzählt. Sie hat einen ganz ruhigen und poetischen Ton gewählt und entwickelt trotzdem eine enorm lebendige Atmosphäre: Du kannst die Hitze spüren, die Gewürze riechen und ich hatte beim Lesen die ganze Zeit Lust auf Datteln! Rasha Khayat hat hier ein kluges, wichtiges und sehr berührendes Buch geschrieben! Für mich gehört es bislang zu den besten dieses Jahres!

Rasha Khayat: Weil wir längst woanders sind. Dumont. 192S. 19,99 €

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